Leseprobe: Augen auf, beim Amikauf! 2/3

Tag 2:

„Ja hier Rutkoschinski. Könnse im Eilverfahren hierher komm‘? Dit Auto muss vorjeführt wern (werden)!“

„Was ist los?“

„Na Ihr Auto. Der Che-vroll-dings, die wolln dit sehn, bevor die dit zulassen. Die is hier so ne Rejel, stilljelechte (stillgelegte) Importfahrzeuje müssen vorjeführt wern!“

„Ah ja… Und das wussten Sie nicht“

„Ja… also nee… Wann könnse denn da sein?“

„Ja und wie geht das konkret? Fährt man denn ganz langsam am Fenster des Zulassungsbeamten vorbei oder wie?“

„Mensch, quatschnse nich, wir brauchen Sie hier!“

„Jaja, ich steh ja schon auf!“…. und gehe erstmal duschen.

„Na da sindse ja endlich! Die wolln die Fahrjestellnummer sehn. Wissense wo die is an dit Fahrzeuch?“

„Ja, vorne im Motorraum ist sowas…“

„Jut, denn sa’ick da bei de Kollejen mal bescheid. Fahrnse mal zu die Halle da!“

Beim Einsteigen entferne möglichst unauffällig ich einen Aufkleber mit einer Fahrgestellnummer aus der Fahrertür. Ich hatte schon beim Kaufen des Fahrzeugs in der Vorwoche gesehen, dass da eine andere Fahrgestellnummer draufsteht, als auf dem Aufkleber im Motorraum, den ich gleich vorhabe zu präsentieren. Denn die stimmte mit den Papieren überein.

„So. Und dit is also Ihr Fahrzeug, wa?“

„Ja?“

„Na dit hamwa jerne. Wissense wo die Fahrjestellnumma is?“

„Ja, vorn im Motorraum!“ Ich öffne die Motorhaube. „Hier!“

„Nee, dit is’n Typenschild. Dit nicht. Die muss fest in’n Rahmen eingeschla’en sin!“

„In den Rahmen eingeschlagen?“

„Ja. Ham Amis aber eigentlich nicht.“

„Ja und wonach suchen wir dann?“

„Wissen wa ooch noch nicht. Also die Amis kleben überall nur so Schilder rin, aber in Europa muss die Nummer untrennbar in den Rahmen eingeschlagen sein. Und zwar nach Jesetz vorn rechts!“

„Und wenn ich so was jetzt nicht habe?“

„Na denn können wa dit Auto nich zulassen!“

Mir wird zum ersten Mal warm.

„Hamse ne Taschenlampe?“

„Nein? Suchen SIE nicht die Nummer?“ Der Beamte bekommt immer schlechtere Laune. Jetzt artet die Sache für ihn in Arbeit aus und das mag er scheinbar nicht. Nachdem eine steuerfinanzierte Luxus-Teleskop-Taschenlampe aufgetrieben wurde, leuchtet man in den vorderen rechten Radkasten. Und wird direkt fündig. Leider.

„Jünter! Komm ma rüber hier! Ick brauch ma Deine Hilfe! Kiek dir dit ma‘ an hier!“

Beamter 1 schaut noch mehrfach prüfend in den Radkasten, dann auf die Papiere, dann in den Radkasten und wird immer blasser. Beamter 2 alias Jünter löst ihn ab. Schaut in den Radkasten, kratzt, rubbelt und poliert, schaut in die Papiere und zurück. Beide schauen sich an und schütteln den Kopf.

„Kommse ma her! Kiek’n se mal da rin. Lesense mal die Nummer da ab!“

„2GB38….“

„Reicht schon!“

„Ja wie?“

„Erste Ziffer nochmal bitte?“

„Na, eine zwei!“

„Jut. Kiekn’se mal hier. Ihre Papiere. Wat steht’n da?“

„Oh, eins…“

Ich schaue wieder in den Radkasten. Und freue mich.

„Aber der Rest der Nummer stimmt doch!“

Ich bekomme nur einen Blick als Antwort. Und der heißt: „Das meinen Sie doch jetzt nicht ernst, oder?“

Ich sehe das zunächst als Aufforderung, noch einmal nachzusehen.

„Ja, doch, also der Rest stimmt. Da hat sich halt mal jemand vertippt. Dann ändern Sie doch die Nummer in den Papieren!“

Der Blick sagt jetzt: „Sind Sie wahnsinnig?“ – tatsächlich klingen die Worte des Beamten aber eher so: „Dit muss stimm‘, vastehnse mich? Stimm‘! Nich unjefähr stimm‘! Stimm‘ musset. Und die stimmt aba nich, also jeht dit nich! Wir könn‘ Sie so nich zulassen!“

Ein paar rat- und hilflose Blicke und eine unbeantwortete Frage an den (von mir bezahlten) Zulassungsdienst Rutkoschinski später, wird klar, dass hier erstmal der Chef des Ablehnungsbeamten involviert werden muss.

„So also dit läuft jetze so, dit se ne neue Fahrjestellnummer bei de DEKRA einschla’en lassen müss’n. Wir ham ne Fahndungsabfrage jemacht. Die Nummer mit‘de 2 is gleich ungültig, die 1 is richtig und nich‘ jeklaut, hamse Glück!“

Hab ich wohl… „Und ich kann da jetzt einfach zur DEKRA hingehen und denen sagen, die sollen wir mal eben einen neue Fahrgestellnummer in den Rahmen hämmern?“

„Mensch, natürlich nich, Mann! Sie brauchen dafür ne amtliche Aufforderung!“

„Ah ja, das klingt ja toll. Und die bekomme ich von Ihnen?“

„Ja nu ma‘ nich so unjeduldich… Dit macht denn erstmal siemunvierzich Euro!“

Bei der DEKRA angekommen ist der zuständige Werkstattmeister zunächst einmal etwas überfordert und stellt gekonnt Fragen, auf die der normale Autokäufer adhoc keine Antwort wissen kann:

„Warum gönnt man sich SO EIN Auto?“, „Wer hat dem Ding denn jemals TÜV gegeben?“, „Haben Sie schon gesehen, dass unter dem Auto alles aufgerissen ist?“ und „Sagen Sie, ist das ein Rahmen oder eine selbsttragende Karosse?“

Auf meinen Einwand hin, dass mir das eigentlich egal wäre, ich nun schon den zweiten Tag in der Zulassungstelle verbringe und noch nie von jemandem gehört hätte, der (außerhalb Belgiens) so viel Aufwand mit der Zulassung eines KFZ hatte und er einfach mal das machen soll, was in der amtlichen Anordnung steht, damit wir die Karre heute noch zugelassen bekommen, tritt der Meister zunächst einfach mal in den Sitzstreik.

„Na Sie haben ja GAR keine Ahnung, oder? Laut Gesetz muss die Fahrzeug-Ident-Nummer, wie das hier korrekt heißt, in den Rahmen eingeschlagen werden. Und zwar vorn rechts. Da ist aber kein Platz mehr, das geht also nicht.“

„Ja denn löten Sie einfach ein Schild drüber!“

„Das ist verboten. Die einzige Lösung wäre, wir stellen hier fest, dass das eine selbsttragende Karosse ist. Dann kann ich die Nummer irgendwo in die Karosse einschlagen, zum Beispiel in den Türrahmen.“

„Na dann haben wir das doch schon geklärt, oder? Selbsttragende Karosse… was auch immer das ist…“

So langsam wird es auch dem DEKRA-Mann zu bunt mit uns.

„Hat einer von Euch Leuchten eigentlich gesehen, dass hier vorn am Armaturenbrett, hinter der Windschutzscheibe, gut sichtbar von außen, auf der Fahrerseite, eine Platte angebracht ist mit einer Fahrgestellnummer?“

Wir (also Zulassungs-Rutkoschinski und ich) schauen uns alle dumm an und dann hinter die Scheibe. Nein, haben wir natürlich nicht – und auch der Beamte der Zulassungsstelle nicht. Glücklicherweise. Denn das ist – natürlich – eine falsche Nummer.

„Also wenn ich Sie richtig verstehe, wollen Sie mit dem Fahrzeug ins Ausland?! Dann würde ich diese Plakette vorher einfach mal sauber rausflexen. Das haben Sie aber nicht von mir. Und jetzt legen Sie da schön ein Papier rein, damit dass drüben bei der Zulassung keiner mehr sieht. So – und damit wir hier vorwärts kommen, schreibe ich Ihnen jetzt einen DEKRA-Bericht, wo ich vermerke, dass ich festgestellt habe, dass das hier zweifelsfrei eine selbsttragende Karosse ist – das wäre ohnehin besser für Sie mit dem ganzen Rost da im Boden. Und dann schlage ich Ihnen hier in die Tür vorn rechts die richtige Nummer ein – oder das, was die da drüben dafür halten. Dann achten Sie darauf, dass bei der Zulassung die Änderung im Fahrzeugschein vermerkt wird, ok?“

Während der ganzen Wartezeit bei der DEKRA entsteht unter den dort versammelten Mitmenschen, die allesamt kleinere Probleme mit ihrem KFZ zu lösen haben, um eine Zulassung zu erhalten, eine Art Fan- und Bewunderer-Gemeinschaft für unseren Chevy G20. Und schnell bildet sich dort auch ein Rädelsführer heraus, der mich am Ende fast bedrängt, ihm das Auto zu verkaufen und es bloß nicht, „der Russerei“ zu verkaufen. Ich bedanke mich artig.

80 Dekra-Euro später begutachtet nun wieder der Ablehnungsbeamte das KFZ, Rutkoschinski schaut wie immer doof zu. Aufgrund aufbrandender Begeisterung beim Beamten über die saubere und überaus gut lesbare Nummer, für die man sich nun noch nicht einmal mehr bücken muss, steigen die Chancen wieder. Rutkoschinski erwacht nun aus seinem zweitägigen Schlaf. Er würde jetzt Gas geben und schauen, dass er das KFZ noch heute zugelassen bekommt, der Annahmeschalter sei noch ein paar Minuten lang offen.

Ich muss warten. Und treffe auf Ibrahim. Ibrahim ist Libanese und vermutlich das, was man ein Musterbeispiel für Integration nennen würde. Ibrahim verkauft in Berlin gebrauchte Nutzfahrzeuge nach Afrika und hat sagenhafte Öffnungszeiten: Montag bis Freitag 10 bis 17 Uhr. Keine Ausnahmen. Keine Überstunden. Keine Wochenendarbeit. Keinesfalls. Eigentlich hatten wir uns für ein Auto von Ibrahim interessiert, waren einmal dort und wollten es in einer Werkstatt begutachten lassen, da Ibrahim grundsätzlich jede Verantwortung ablehnt. Aber an seinen preußischen Öffnungszeiten ist es gescheitert. Also für uns, wir haben dann einfach diesen Chevrolet gekauft, Ibrahim weiß davon aber noch nichts. Ich schaue durch ihn hindurch und hoffe, er erkennt mich nicht. Er schaut mich lange an und überlegt. Aber es scheint ihm nicht einzufallen.

Rutkoschinski erlöst mich irgendwann, doch zu was zu gebrauchen der Mann: „Sie ham‘ Glück, wir kriejen dit heute noch durch, Schilder kann ick heute Nachmittach siejeln lassen, Ausnahmejenehmjung für de kurzen Schilda hab ick ooch schon“, berichtet er mir eine halbe Stunde später stolz. Immerhin, denke ich.

Leider ist der Rutkoschinski, der mich ein paar Stunden später mit flacher Hand vor der eigenen Kehle wedelnd aus der Ferne begrüßt, weniger euphorisch. Die Nummer meiner Versicherungsbestätigung stimme nicht, die sei nur für das Kurzzeitkennzeichen gewesen, das stehe ja auch drauf.

„Und das haben Sie selber nicht gesehen?“

„Ja… also nee…“, sagt er mal wieder.

[…]

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