Leseprobe: Augen auf, beim Amikauf! 1/3

Tag 1:

„Und wat is mit Sie hier?“

„Arbeiten Sie hier?“

„Kiekensesich domma um!“

Schon an dieser Stelle beschließe ich, diesen absurden Dialog für die Ewigkeit festzuhalten. Irgendwas sagt mir auch, dass ich noch viel Spaß haben werde! Ich bin in der KFZ-Zulassungsstelle in Berlin und werde in einem leeren Raum aufgegriffen, in den ich mich verlaufen habe, weil ich auf der Suche nach der Wartenummernausgabe bin.

„Hä?“

„Na meinse, dit is hier so schön, dass ick freiwillig hier wär‘?“

Nein, schön ist es hier wirklich nicht. Obwohl offensichtlich ein Neubau, hat man es geschafft, DDR-Flair herzustellen – mit äußert geschmack- und lieblos gestaltetem Interieur inklusive stilechtem Linoleum und Papptüren. Und natürlich der bezaubernden Lage am Rande von Berlin-Hohenschönhausen.

„Ja, äh, also, ich suche die Wartenummernausgabe.“

„Jibtet nich mehr!“

„Ja, aber da steht doch das Schild auf dem Flur?“

„Na Sie seh’n doch, dit der Raum hier leer is!“

„Ja jut, aber das steht doch ein Schild!“

„Et jibt aba keene Nummern!“

„Sie haben die Nummernautomaten weggeschafft aber das Schild hängen lassen?“

„Ick mach hier jar nischt!“

Gut, diesen Eindruck hatte ich sowieso schon…

„Ja…. Äh… Aha! Und nu?“

„Ja jibt keene Nummern mehr!“

„Mmmhhhh!“

„Allet nur no‘ (noch auf) uff Termin!“ Dann flüstert die Dame, die sonst sowohl von Statue als auch von Stimmlage als deutlich männlicher als ich durchgeht, weiter: „Idee vom Chef!“

„Ja Aha. Und wie krieg ich einen Termin? Haben Sie die Automaten dafür nicht hier reinbekommen?“

„Sie krieg’n hier ja (gar) keen Tamin!“

„Na aber… Sie haben doch eben gesagt… Sie… also…. Ich… Nur mit Termin?“

„Ja aber den kriejense nur im Intanet!“

„Ich muss jetzt wieder nach Hause, um einen Termin zu vereinbaren, um dann wieder herzukommen?“

„Janz jenau! Jut, wa?“

„Mmmmhhhh, total!“

Zu Hause angekommen stelle ich fest, dass es auf der Webseite der KFZ-Zulassungsstelle zwar eine Online-Terminvergabe gibt, die aber erst in drei Wochen wieder Lücken sieht – Mittwoch mittags… Das ist mir zu spät… und zu doof. Das KFZ, das ich anmelden will, hat eine Kurzzeitzulassung bis HEUTE und ich kann nicht drei Wochen warten. Ich rufe einen der zahlreichen privaten Zulassungsdienste an, die sich mir auf Google vorstellen und die eine KFZ-Zulassung in Berlin innerhalb von 24 Stunden versprechen.

„Ja guten Tag. Ich habe folgendes Problem: ich muss noch heute ein Auto in Berlin zulassen!“

„Haha, ja sehr lustig. Heute geht gar nichts mehr, die Schalter sind schon zu. Morgen können wir schaffen.“

„Verstehe, haben Sie da jeden Tag Termine reserviert oder wie machen Sie das eigentlich?“

„Nee wieso, wir gehen an den Händlerschalter.“

„Händlerschalter? Es gibt einen Händlerschalter? Und da braucht man keinen Termin?“

„Nee natürlich nicht, man kann doch nicht wissen, ob man in drei Wochen mal ein Auto zulassen muss.“

Halleluja. Das Land Berlin hat mit dieser Terminvergaberegelung offensichtlich einem ganzen privaten Geschäftszweig eine Daseinsberechtigung verliehen. Den Impuls, ein eigenes Unternehmen zu gründen, um mein Auto dann als mein eigener Auftraggeber dort anzumelden, unterdrücke ich, nachdem ich mir noch einmal Bewusst mache, dass das Auto eigentlich heute von der Straße muss, denn die Zulassung läuft um Mitternacht aus…

„Ja… gut… toll… Und wie läuft das jetzt konkret ab?“

„Na wenn Sie das machen wollen, dann schicke ich jetzt jemanden vorbei!“

„Na dann mal los…!“

Tatsächlich ist innerhalb einer unglaublichen halben Stunde ein Mitarbeiter namens Rutkoschinski bei mir und sammelt alle Dokumente ein: TÜV-Bericht, Fahrzeugschein, Versicherungsbestätigung, meinen Ausweis und all mein Bargeld.

„Besorgen Sie auch die grüne Plakette?“

„Theoretisch schon, praktisch nich!“

„Weil?“

„Na weil die ja Auskunft jibt üba die Abjasnorm. Sechs, fünf und vier bekomm‘ ne grüne Plakette, drei ne jelbe und zwei ne rote. Vastehnse?“

„Ja? Und weiter?“

„Na, lesense ma hier in‘ den Fahrzeugschein!“

„Emissionsklasse nicht bekannt?“

„Jenau, Ihr Auto hat jar keene! Wir könnten höchstens vasuchen, ne Ausnahmejenehmijung zu bekommen. Is aber teua und hängt vonne (von der) Laune des Beamten ab. Und jilt nur für eene Stadt!“

„Wie? Ich muss in jeder Stadt Deutschlands mit Umweltzone eine gesonderte Ausnahmegenehmigung beantragen und die kostet jeweils neu Geld und der Erfolg ist ungewiss?“

„Janz jenau! Jut, wa?“

„Mmmmhhhh, total! Und kann ich eigentlich amerikanische Kennzeichen bekommen?“

„Ick denke, Sie woll’n dit Auto in Balin zulassen?“

„Ja, ich meine doch, so kleine…“

„Achso ja, vastehe. Is dit denn ein amerikanischet Auto oda wieso?“

„Ja, ähem, Sie…. Sie haben… Da die Papiere ja… vor sich liegen?“

„Che… Wat heißt dit? Chev-rol-lett? Und dit is’n Ami oda wat?“

„Ja?“

„Ja denn müssen wa da aba (wir da aber) ne Ausnahmejenehmijung müssen wa da!“

„Aha!“

[…]

Teil 2 der Geschichte finden Sie hier.

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